Der Querkönig

frei nach Johann Wolfgang von Goethe

Wer schreitet so spät noch auf und ab?
Es ist der Verleger mit seinem Blatt;
Er führte die Zeitschrift mit stolzer Brust,
Er trug sie geduldig durch manchen Verlust.

«Mein Blatt, was birgst du so bang dein Gesicht?» –
«Siehst du als Besitzer den Querkönig nicht?
Den König der Quersicht, der keck nach mir greift?» –
«Ich sehe nur Gutes, das hier heranreift!» –

«Du namhafte Zeitschrift, komm, geh mit mir!
Nun endlich was Rechtes mach ich aus dir;
Ich fahr dich gewiss nicht an die Wand,
Und sieh dir nur an meinen Kontostand.» –

«Verleger, Verleger, und hörest du nicht,
Was Querkönig säuselnd mir leise verspricht?» –
«Sei ruhig, bleib ruhig, mein ruhmreiches Blatt;
Sag, hast nicht auch du all den Mainstream so satt?» –

«Willst, feine Postille, nicht du mit mir gehn?
Die Geldgeber wollen dich unlustig sehn;
Die Geldgeber zahlen mir Schein um Schein
Mit ganz neuen Stoffen kleid’ ich dich ein.» –

«Verleger, Verleger, siehst du nicht das Spiel?
Des Querkönigs Pläne, verquer ist sein Ziel!» –
«Mein Blatt, mein Blatt, ich seh es ganz klar:
Die Zukunft bei Klarsicht, sie wird wunderbar!» –

«Ich brauch dich, es reizt mich dein Renommee;
Auch wenn von Satir’ ich rein gar nichts versteh.» –
«Verleger, Verleger, komm schenk mir Gehör!
Das endet nicht glücklich, ich schwör!» –

Der Eigner hats eilig: sagt Ja zu dem Deal,
Der neue Besitzer ist endlich am Ziel,
Er setzt sich ins Cockpit als neuer Pilot –
Nicht allzu viel später das Blatt, es war …

Copyright by Kassandra Nötzli

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